Wir werden vom Prasseln des Regens auf unser Dach geweckt. Der strahlende Sonnenschein ist gewichen, der Himmel ist grau in grau, es liegen Nebelschwaden in der Luft und verdecken die Berggipfel. Die uns vorgeschlagene Route ab Grotli über den nördlichen Ausläufer des Jostedalsbreen zum Sommerskigebiet entlang der Straße 258 lassen wir daher aus, bei fehlender Weitsicht lohnt es sich nicht, die Strapazen der engen Straße auf sich zu nehmen. So fahren wir über die gut befahrbare RV15 Richtung Geirangerfjord durch den strömenden Regen. Ich sitze am Steuer und bin gespannt, was da auf uns zukommt. Die Straße knickt irgendwann Richtung Geiranger ab, Teile vom Hang sind nach dem heftigen Regen in der Nacht mit Vorsicht zu genießen, das Halten am Straßenrand wird immer wieder durch entsprechende Straßenschilder verboten. Die zuvor leere Straße füllt sich immer mehr, uns kommen zahlreiche Reisebusse entgegen. Bei einem kurzen Stopp treffen wir auf Fotos knipsende Asiaten, die vor einem zugefrorenen See posieren. Dann geht es los, die endlosen Kehren hinunter in den Geirangerfjord, UNESCO Weltkulturerbe und eines der bekanntesten Spots in Norwegen. Die Straße ist eng, die Steigung enorm und das Wetter beständig schlecht – wir sind froh, wenn wir die nächste Kehre frühzeitig sehen, so stark beeinträchtigt der tiefhängende Nebel die Sicht. In den Fjord hinunter sieht man dann leider erst spät, für Fotos lohnt es sich nicht auszusteigen, man sieht mit dem bloßen Auge nur schwerlich etwas.
Die letzten Kilometer werden sehr zäh, es fahren Busse aus sämtlichen Nationen die steilen Kehren hinauf, sogar Hop-on-Hop off-Busse begegnen uns. Teilweise muss man rückwärts in den Serpentinen ein Stück den Berg wieder hoch, um den weit ausholenden Bussen aus dem Weg zu gehen. Erst einen Kilometer vor der Ortsmitte, circa fünf Serpentinen oberhalb des Fjords, sieht man dann zum ersten Mal, warum hier dann doch so viel los ist. Im recht engen Fjord stehen vier Kreuzfahrtschiffe. Eines größer als das andere. Und trotzdem wirken sie winzig in Anbetracht der steil aufragenden, grün bewachsenen Fjordhänge. Unten im kleinen Ortszentrum stellen wir den Bulli ab, ziehen die Regenjacken an und schauen uns schnell um. Viel gibt es allerdings nicht zu sehen, die Touristenmassen sind das komplette Kontrastprogramm zu der Idylle der letzten Tage und Wochen (Bergen mal ausgenommen). Im Souvenirshop im Hafen schieben sich die Pauschaltouristen vorbei an Regalen voller Kitsch. Da es erst 12:30 Uhr ist, steigen wir wieder ins Auto und verlassen den Fjord wieder. Es war ein kurzer Aufenthalt, aber bei strömendem Regen bietet es sich um diese Uhrzeit bei diesem Surrounding nicht an, den Mittag im Bus sitzend zu verbringen. Wir fahren auf der sogenannten Adlerserpentinenweg (Ørnevegen) in 11 engen Kurven auf 624 Meter wieder aus dem Fjord hinaus, an der Aussichtsplattform laufen die Touristen recht rücksichtslos über die Straßen – hier ist Vorsicht geboten. Langsam geht es im zweiten Gang die steilen Kurven hinauf (maximal 10% Steigung), nochmals belohnt der Blick aus Halbhöhenlage auf die Kreuzfahrtschiffe, dann versperrt der Nebel wieder alles. Durch das folgende Hochtal geht es dann recht zügig nach Eidsdal und von dort mit der Fähre nach Valldal. Valldal ist eine Dauercamper-Hochburg, wir finden hier nur zugebaute Plätze mit weißen Caravans. Wir fahren daher erst einmal weiter und finden außerhalb an der RV 63 eine Jodbaerstube. Hier wärmen wir uns bei Tee, Kaffee und einer dicken Erdbeertorte wieder auf. Dick sind hier auch die Preise. Egal, das war notwendig für Körper und Geist. Im Dauerregen finden wir dann doch noch ein Plätzchen. Gummistiefel raus, Strom ran, ab ins vier Quadratmeter große Wohnzimmer. Am Abend lässt der Regen dann etwas nach und lässt uns auf bessere Sicht am Trollstigen für den kommenden Tag hoffen.
Die Wetterprognose war auf jeden Fall vielversprechend, ab Mittag sollte der Regen aufhören. Wie das eben ist mit Prognosen, in den Bergen eher schwierig bis unzuverlässig. Wieder im Regen geht es weiter die RV 63 Richtung Trollstigveien. Und auch hier reißen die Touristenströme nicht ab, es ist wie auf einem Jahrmarkt, die Parkplätze oberhalb der eindrucksvollen Serpentinenstraße sind pickepacke voll. Da es wieder in Strömen regnet und die Sicht ins Tal gleich Null ist, fahren wir durch. Ein bisschen wehmütig, die Landschaft hätte uns extrem gereizt, auch wandern wäre hier toll möglich. Die Wettervorhersagen sind allerdings so schlecht, dass selbst ein Aussitzen mehr als 10 Tage dauern würde, Besserung erst einmal keine in Sicht. Uli steuert den Bus daher wieder zielgenau die Passstraße hinunter und hat damit das gleiche Vergnügen wie ich am Vortag am Geirangerfjord. Die Landschaft ist sehr beeindruckend, direkt an der Passstraße kommen Wasserfälle an den Felswänden herunter, in wenigen Minuten verliert man deutlich an Höhe und kommt unten im Tal an, wo man die Kehren des Trollstigveien nochmals von unten bestaunen kann – zumindest bis zur unteren Hälfte, die der Nebel nicht in Beschlag genommen hat. Auf der Weiterfahrt ins Tal geht dann erst einmal nichts mehr. Wir stehen vor der letzten Serpentine, die nach dem Parkplatz im Tal kommt, ein LKW blockiert die Straße. Der Bulgare will ernsthaft diese Straße mit seinem LKW befahren, scheitert dann bereits aber an der ersten Kurve bei einem missglückten Wendemanöver. Da sind Gaffer natürlich nicht weit. Mit am Radkasten schleifenden Reifen kommt er dann doch noch ums Eck, vermutlich mit dem Ziel, oben am Parkplatz zu drehen. Wir hoffen, er hat´s geschafft, sonst stehen sie da heute noch…
Wir flüchten aus dem Tal mit dem Ziel Küste, hier soll es besseres Wetter sein. Im Tal ist zudem Hochwassergefahr, die Flüsse tragen extrem viel Wasser nach den vergangenen beiden Tagen Regen und Schneeschmelze, die Campingplätze sind total aufgeweicht. So geht es für uns etwas schneller als geplant wieder ans offene Meer. In Malmefjord hinter Molde finden wir einen regenfreien Platz an einem See und freuen uns, die nassen Sachen wenigsten kurz an die frische Luft hängen zu können.
Campingplätze:
1. Skjæk Saeter Camping, Nordsted (200 NOK inkl. Strom, Dusche 10 NOK)
2. Skoglund Camping, Valldal (250 NOK inkl. Strom, Dusche 20 NOK)
3. Bjølstad Camping, Malmefjorden (250 NOK inkl. Strom, Dusche 10 NOK)