Den bis an den Rand vollgestopften Wucher-Campingplatz verlassen wir um halb zehn am Morgen. In den Reiseführern wird davor gewarnt nach Bergen rein zu fahren. Es koste Zoll, der Verkehr sei schlimm und es gäbe so gut wie keine Parkmöglichkeiten. Wir geben uns rebellisch und fahren trotzdem mit dem Bulli mitten ins Zentrum. Der Verkehr ist lächerlich gegen den Verkehr in Stuttgart oder Zürich. Entspannt fahren wir eine Runde durch die Innenstadt und machen uns so schon mal einen Lageplan. Wir finden einen Parkplatz für wenig Geld und laufen zu dritt in die Stadt. Die Touristenzahl hält sich in Grenzen. Die Sonne scheint. Und das in BERGEN. Es hieße, das tue sie hier niemals. Regenreichste Stadt Europas mit 240 Regentagen im Jahr. Wir fühlen uns wie Lottogewinner und schlendern vorbei an den kleinen Geschäften mit Souvenirs und hinein nach Bryggen. Um 1070 wurde dieser alte Stadtteil vom Wikkingerkönig Olav Kyrre gegründet. Brygge war ab dem 13. Jahrhundert Handelsmittelpunkt Norwegens und überwiegend in der Hand deutscher hanseatischer Kaufleute. Nach einem Großbrand Anfang des 17 Jahrhunderts, der den Stadtkern beinahe komplett niederbrannte, wurden die alten Holzhäuser originalgetreu wieder hergestellt. Man biegt von den Souveniershops in eine Querstraße ab und findet sich in einer vergangenen Welt wieder. Hier gibt es Pelzgeschäfte und Läden mit Angelzubehör. Ich kann den Reflex laut über Pelzläden zu schimpfen nur unterdrücken, weil das Flair hier wirklich einzigartig ist. Verwinkelte, enge Gassen, man läuft über Holzstegen und kann in die hübschen Geschäfte rein linsen. Auf der Holztreppe sitzt eine Katze, die mehr aus sieht wie ein Löwe und beobachtet das bunte Treiben. Wir verlassen das Mittelalter und landen auf dem Fischmarkt, direkt am Hafen. Die Händler an den weißen Stände preisen lauthals alle möglichen Fischarten zum Kauf an. Der Beton ist nass, es wimmelt von Menschen und die Preise sind nicht unbedingt, wie wir sie erwartet hätten. Also bummeln wir weiter am Hafen entlang. Es wird voller und voller in der Stadt. Gut, dass wir so früh angekommen sind. Wir suchen einen Parkplatz, der ein bisschen Schatten bietet um den Hund nicht weiter mit dem Stadtleben zu stressen. Die Sonne will offensichtlich den Jahresschnitt nicht völlig sprengen und verschwindet wie gerufen hinter den aufziehenden Wolken. Wir können Chima entspannt in seinem vertrauten Wohnzimmer zurück lassen und machen uns zu zweit auf den Weg zurück ins Zentrum.
Die Schlange vor der Fløyenbahn ist erfreulicher Weise auf ein Minimum geschrumpft. Von oben soll der Blick über die Stadt fantastisch sein. Wir gönnen uns ein ebenso himmlisches wie riesengroßes Softeis, das bei den Norwegern sehr beliebt ist, und reihen uns in der Schlange ein. Wir kaufen ein One-Way-Ticket und steigen nach kurzem Warten zwischen aufgeregten und überforderten Touristengruppen in die Standseilbahn ein. Es geht mit 26 % Steigung steil bergauf. Und der Blick ist wirklich einzigartig. Man überblickt Bergen in seiner ganzen Pracht. Die einzelnen Stadtviertel lassen die Stadt etwas zerstückelt aussehen, was sie aber für uns sehr interessant macht. Man könnte stundenlang hinunter schauen und würde sich nicht langweilen. Wir sehen, dass im Hafen die MSC eingelaufen ist. Das erklärt auch die riesigen Touristengruppen mit Führern aller Sprachen. Den Weg hinunter laufen wir. Er führt erst durch den umliegenden Wald, dann durch ein Wohngebiet in dem unverkennbar die obere Schicht Bergens haust. Die Norweger treiben viel und gerne Sport und so begegnen wir einigen beim Joggen, Walken und Fahrradfahren. Ein Stück näher Richtung Zentrum verändert sich das Stadtbild hin zum Urbaneren und Bodenständigeren. Die Häuser werden kleiner, kunstvolles Graffiti ist an die Mauern geworfen, das Leben findet mehr auf der Straße statt.
Es wäre schön, ein Mitbringsel aus Bergen zu haben, an dem man sich zuhause noch lange erfreuen kann. Wir suchen einen Norwegerpullover, finden aber nirgends ein anregendes Modell. Ein paar Tropfen kommen vom Himmel. Bergen hält also doch noch, was es verspricht. Nach kurzem Stöbern in hippen Geschäften mit überteuerter Keramik, Klamotten und Dekorationsartikeln machen wir uns zu Fuß auf den Weg zurück zum Hund. Vorbelastet von unserem Parkdesaster in Oslo, haben wir die Parkzeit großzügig berechnet. Das Parken in Bergen war günstig und problemlos, allen anderen Angaben zum Trotz. Die Stadt ist interessant, abwechslungsreich und es gibt einiges zu erleben. Der Besuch hat sich sehr gelohnt.
Während ich diesen Beitrag schreibe, spricht uns ein paar Tage später ein Norweger an und gibt dem Hund Streicheleinheiten. Im Gespräch stellt sich heraus, dass er aus Bergen stammt und er erzählt über die Einflüsse der Deutschen, der Holländer und der Schotten auf die Handelsstadt. Wir bekommen abermals tolle Tipps zum Weiterreisen, geschöpft aus eigener Erfahrung. Das macht uns Bergen nur umso sympathischer.
Die Reise geht von Bergen aus Richtung Nordosten. Übernachten werden wir auf einem abgelegenen Campingplatz bei Evanger.
Campingplatz:
Mestad Camping, Evanger (175 NOK inkl. Strom, Dusche 10 NOK/all you can shower)
Da hat sich aber einer über sein Eis gefreut. 😊
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