Wir erreichen den Campingplatz am Ragnerudssjön am Abend. Da immer noch Vorsaison ist, sind nur eine Handvoll Dauercamper und drei weitere Camper am Platz. Wie überall haben wir die Option, den Platz vorher anzuschauen und unseren Stellplatz frei zu wählen. Ganz vorne am See ist noch ein Platz frei, der nicht direkt eingekesselt ist von den umliegenden Gästen. Die Handgriffe sind inzwischen Routine: schnell den Strom angesteckt, eine Kiste von oben nach hinten geräumt, Tisch raus, um draußen zu kochen (bevor es dann doch noch anfängt zu regnen), fertig. Einer holt Wasser zum Spülen, der andere räumt Besteck und Geschirr raus. Dann wird gekocht. Und irgendwann wird es auch in Zentralschweden gegen Mitternacht etwas dunkler, wir begeben uns in die Waschräume und dann ins Bett.
Am kommenden Morgen erwartet uns strahlender Sonnenschein, trotzdem ist es mit dem Wind am See noch etwas kühl. Wir beschließen, erst einmal Ulis Mückenstiche zu behandeln und fahren in den ca. 3km entfernten Ort Högsäter, um am Sonntag Kortisonsalbe und ein paar Lebensmittel zu kaufen. Ein Hoch auf diese Öffnungszeiten. Zurück am See nutzen wir das schöne Wetter und leihen uns ein Ruderboot – auf Empfehlung der Campingplatzbesitzer, da dies wohl geschickter ist, als den Hund im Kanu mitzunehmen. Was wir nicht wissen: das Ruderboot hat die besten Tage hinter sich, die Riemen zur Halterung der Ruder sind nicht vollständig, das Ruder liegt quasi lose in der Halterung. Loslassen verboten, sonst fehlt das Ruder. Zu heftig rudern ebenfalls zu vermeiden, dann rutscht das Ruder raus. Nachdem ich mich 5min etwas vergeblich abmühe, Chima dabei von links nach rechts torkelt und sich sehnlichst wünscht, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen, entscheiden wir uns für das gemeinsame rudern (ich sollte hier vielleicht erwähnen, dass sowohl mein Vater als auch meine Mutter im Ruderverein aktiv waren – shame on me). Zu zweit klappts dann etwas besser, einer links, einer rechts. Geteiltes Leid ist halbes Leid, was hier wirklich zutrifft. Etwas entnervt vom Ruderboot kommen wir nach einer gefühlten Ewigkeit an der Insel in der Seemitte an, ketten das Boot an und schauen, dass wir den Hund ein wenig bei Laune halten, nicht dass er freiwillig zurückschwimmt – wer will es ihm verdenken. Nach zwei Stunden ist der Spaß vorbei, alle sind wieder heil am Ufer und freuen sich auf einen kleinen Snack am Nachmittag. Am Abend schieben wir die Backkartoffel in den Ofen und warten eine Stunde, bis wir sie endlich mit Guacamole und Sour Cream verspeisen können. Unsere Campingküche lässt keine Wünsche offen.
Ohne brauchbare WLAN-Verbindung ist es nicht ganz so einfach, die Route für den nächsten Tag zu planen. Eigentlich wollten wir wieder Richtung Küste, um von dort dann Norwegen und Oslo anzupeilen. Das schwedische Pärchen, welches uns Ragnerudssjön empfohlen hat, erwähnte allerdings, dass um diese Zeit die Norweger dort einfallen, um die deutlich günstigeren Preise und die schöne Küstenregion zu genießen. Klingt für uns nicht als sehr erstrebenswert, zwischen den großen weißen Kisten zu stehen, hinter denen sich die Norweger auch gerne mal im Viererpack verschanzen. Also gehen wir erst mal an die Rezeption und zahlen unseren Aufenthalt sowie die lustige Bootsfahrt auf dem See. Dabei fliegt uns ein Prospekt des Dalsland Camping-Verbands in die Hand, in dem mehrere Campingplätze vereint sind. An erster Stelle: Vimmervikens Camping. Etwas mehr als 100km nördlich, ebenfalls Richtung Norwegen, andere Route, aber auf den Bildern ein wirklich schöner Platz, relativ verlassen direkt an einem Seeufer. Kein Plan ist auch ein Plan, so findet man die schönsten Plätze. Also ab nach Vimmerviken.
Wir fahren auf gradegezogenen Straßen durch dichte Wälder, schön gemütlich bei Tempo 80 Richtung Bengtsfors. Dort kaufen wir nochmals kräftig Lebensmittel ein, bevor es die kommenden Tage nach Norwegen geht. In Vimmerviken bei Gustavsfors verlassen wir die Hauptstraße auf eine Schotterpiste, umkurven diverse Schlaglöcher, um dann nach fünf Minuten auf einem herrlichen Campingplatz direkt am See zu landen. Die Rezeption öffnet erst um 18:30 Uhr, wir stellen den Bulli vorne am See ab und verschieben die Anmeldung auf später. Sehr ruhig hier, vornehmlich Deutsche Camper, keine Dauergäste. Die Sonne scheint uns ins Gesicht, es könnte nicht schöner sein. Am Abend nimmt Uli die Anmeldung vor und holt noch Tipps für eine Tageswanderung ein, die wir am nächsten Morgen angehen.
Über Stelzen durchwandern wir das Sumpfgebiet direkt am Campingplatz. Der Wanderweg ist auf Deutsch beschrieben und gut beschildert, die 5km nach Gustavsfors sind traumhaft schön durch Wälder und über Stege entlang des Seeufers.
Den Stopp am Supermarkt in Gustavsfors wollen wir nutzen, um Geld für die zweite Übernachtung abzuheben. Ausnahmsweise ist keine Kreditkartenzahlung am Campingplatz möglich. Unser Pech: nächster Bankautomat in 23km Entfernung. Ich wünschte ich hätte eine Draisine, wie Vater und Sohn, die uns auf den Bahngleisen passieren. So geht es durch den Wald zurück zum Campingplatz und für mich nochmals mit dem Bulli in den nächstgrößeren Ort Årjang. Nur Bares ist Wahres, gilt dann manchmal auch noch in Skandinavien, man mag es kaum glauben. Währenddessen genießt Uli die Abendsonne mit Chima und ihrem Buch. Mich begleitet nur Fritz Kalkbrenner aus dem CD-Player. Besser als nichts. Eine Nacht bleiben wir dann noch, genießen die Stille und die Sonne am See und schließen Schweden auf dem „Hinweg“ der Reise erst einmal ab. Schön war’s bei Dir, wir kommen wieder!
Campingplatz:
Vimmervikens Camping, Gustavsfors (210 NOK inkl. Strom, Dusche 10 NOK)
Starke Bilder! Sorgt für Fernweh…
LikeLike
Sau stark, wie immer eine tolle Abendlektüre!
Bereut ihr es keine Angel am Start zu haben? Bei den tollen Bildern ist es echt das einzige was fehlt! Gute Fahrt und viele Grüße aus dem kalten verregneten Stuttgarter Süden!
LikeLike
Danke. Ne, Angeln vermissen wir aktuell gar nicht. Ich bin dafür glaub nicht gemacht. Eher mal nen halben Tag mit nem Kutter raus 😉
LikeLike