Nach drei erholsamen Tagen mit Meeresluft in Tjörn zieht es uns wieder etwas weiter ins Landesinnere. Lidköping wurde von Resi und Flori als lohnenswert angepriesen und so wollen wir sehen, was es dort zu entdecken gibt. Auf dem Weg nach Lidköping finden wir einen kleinen Hofladen mit Leckereien. Das Schöne an unserer Art zu reisen ist, dass wir halten und eine Rast einlegen können, wenn uns danach ist. Ob wir ein oder zwei Stunden später am nächsten Campingplatz ankommen, ist nicht wichtig. Und die Freiheit zum nächsten Platz zu fahren, wenn uns der angedachte nicht gefällt, ist immer vorhanden. Auch an einem Tag den Bus einmal stehen zu lassen und länger zu bleiben, wenn es in der Umgebung noch etwas zu erkunden gibt, ist möglich, genauso wie schon nach 100 Kilometern den nächsten Übernachtungs-Stop anzulaufen. Kein Zeitdruck, kein Termindruck, sich einfach treiben zu lassen. Das ist so unglaublich entspannend für den Kopf. Es kam schon vor, dass wir im Kalender nachsehen mussten, welcher Wochentag heute ist. Die Läden haben glücklicherweise auch sonntags geöffnet. So bekommt man auch dann Cortisonsalbe gegen Mückenstiche. Kurzer Zwischenbericht: Phil: 2. Ich: 17.
In Lidköping angekommen nisten wir uns für zwei Nächte ein. Der Stellplatz ist nicht der Schönste, dafür aber großzügig und direkt am See mit Hundestrand. Der Strand macht seinem Namen alle Ehre und so kann Chima seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen und stundenlang seinen Dummie aus dem Wasser fischen. Als ich zum gefühlt hundertsten Mal den Ball ins Wasser werfe schaut unser Hund gerade zu einem neu am Strand erschienenen Prachtexemplar. Es ist zwar nicht der erste Hundebadetag, aber beinahe wird es der erste Philippbadetag, der heldenhaft bis über die Oberschenkel ins eiskalte Wasser watet um den Dummie vor dem Abtreiben zu retten.
Der nächste Tag wird weniger aufregend, aber nicht weniger schön. Wir fahren mit dem Bus ins Blaue hinein los und machen Halt an einem Parkplatz neben einer alten Mühle von dem aus ein kleiner Wanderweg startet, der über Blumenwiesen und Grabsteine aus dem 18. Jahrhundert hinweg führt. Nach einem Schläfchen auf einer bunten Wiese im Schatten hoher Birkenbäume (alle drei hatten wirklich ein Mittagsschläfchen nötig) geht es wieder zurück zum Campingplatz. Den lauen Sommerabend nutzen wir zum ausgiebigen Kochen im Freien und zum Beachtennis spielen. Die Kiste mit den Spielen soll schließlich nicht wieder unberührt zurück nach Deutschland.
Am nächsten Morgen schaue ich aus der Dachluke des Busses (wir schlafen bis auf die erste Nacht in der Lüneburger Heide konsequent oben unter dem Dach) und sehe auf der Wiese vor mir weiße, blaue und rote Punkte. Auch ohne Brille erkenne ich sofort, dass draußen Müll wild über die Wiesen verteilt liegt. Ich denke mir ,,pff, welcher Idiot lässt seinen Müll nachts draußen liegen, so nah am Waldrand und…“ UPS. Ich klettere aus dem Bett hinunter und kloppe mir die Kontaktlinsen rein. Schnell Hose und Pulli überziehen und dann mit neuem Müllsack in der Hand rein ins Vergnügen. Ich sammle also den Müll der letzten Tage ein – Teebeutel, Plastik, Papier und mmmh…Bioabfälle. Die meisten Bioabfälle hat sich zu meiner Erleichterung der Fuchs geholt. Die benachbarten Stellplätze sind zum Glück nicht belegt, der Müll liegt wirklich überall. Der Nachbar auf der anderen Seite war natürlich schon Stunden vor uns wach und hat wohl das gleiche gedacht wie ich einige Sekunden nach dem Aufwachen. Er ist Schwede und sehr freundlich, trotz unserer offensichtlichen Blödheit, die uns so dermaßen als Camping-Neulinge enttarnt hat. Seine Frau Anette und er wollen uns dann später gar nicht mehr ziehen lassen, schwärmen von unserer Art zu reisen und beteuern, wenn sie 20 Jahre jünger wären und 20 Kilos weniger auf die Waage bringen würden, dann würden sie genauso reisen wie wir es tun. Die beiden sind sehr interessiert, trumpfen mit immer besseren Tipps zum Reisen in Schweden auf. Als sie erfahren, dass wir wieder zurück zur Westküste fahren wollen, etwa nach Hamburgsund, meinen beide, da sei es zwar schön, wimmele aber nur so von norwegischen Touristen, wegen derer die Preise dort enorm gestiegen seien.
Der erste Insider-Tipp ist also der Markt von Lidköping, der jeden Samstag geöffnet und einen Besuch wert sei. Dann sollten wir unbedingt zum Hindens rev fahren und dort bis an die Spitze der Landzunge vor laufen. Es gäbe hier ein Riff, das die Seefahrer umrunden müssten und einen wirklich tollen Wanderweg. Der letzte Hinweis der beiden ist ein familiärer Campingplatz direkt an einem ,,kleinen“ See. Wir notieren alles und strahlen über diese wertvollen Erfahrungstipps, auch wenn uns die beiden nicht glauben, dass wir auch nur einen davon in die Tat umsetzen werden. Was wir dann aber tun. Der Markt in Lidköping und die Gassen drum herum sind hübsch und laden zum verweilen ein. Wir kaufen zum wiederholten Male kleine Schätze vom Konditor (Sara Bernhard!), sowie Urlaubserinnerungen wie Schlüsselbund und Dekorationsartikel für zuhause.
Weiter geht es Richtung Hindens rev. Die Straße ist irgendwann keine Straße mehr, sondern ein Schotterweg, der immer schmaler wird. Wir beschließen, den Bus in einer Waldeinfahrt abzustellen und den Rest zu Fuß zu laufen. Der Rest ist eine mehrstündige Wanderung. Es geht auf engen Pfaden abwechselnd über Nadelboden, Wurzeln und Kieselsteine. Links und rechts schlagen die niedrigen Wellen sanft ans Ufer. Nach etwa einer Stunde kommen wir am Ende des revs an und verweilen mit Sprudel und einem weiteren Konditor-Schätzchen auf den Felsen im Wasser.
Der Höhepunkt dieses ereignisreichen Tages ist der traumhafte Campingplatz am Ragnerudsjön-See, den uns Anette und ihr Mann empfohlen haben.
Campingplätze:
Kronocamping Lidköping (305 SEK/Nacht inkl. Strom und Dusche)
Ragnerudssjöns Camping, Högsäter (285 SEK/Nacht inkl. Strom; Dusche 5 SEK)
Cooles Foto
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