An Vorabend haben wir beschlossen, nach der abendlichen Dusche am morgen nur noch schnell ein Müsli zu essen und dann den gruseligen Hof schnell zu verlassen. Mit etwas Glück erwischen wir direkt eine Fähre und warten keine 5 Minuten in der Schlange. 99 NOK in den Rachen geworfen, 10 Minuten später fahren wir wieder von Bord und entlang des Fjords ins Landesinnere. Wir möchten Richtung Bergen mehrere Stopps am Hardangerfjord einlegen, die Alternativroute von Preikestolen über die Inseln nach Bergen wäre sehr teuer und ist landschaftlich nicht so reizvoll.
Unsere Tagesetappe ist mit knapp 100 Kilometern nicht allzu lang, nach dem anstrengenden Vortag wollen wir mittags die Füße hochlegen, Landschaft genießen, einfach nichts tun. Die gut ausgeblauten Straßen führen uns über Sand nach Røldal. Was wir nicht wussten ist, dass Røldal Norwegens schneesicherstes Skigebiet ist. Was man dann bei der Ankunft auch merkt. Es hat 5°C Außentemperatur, gefühlt im Wind 2°C. Hier sollte erwähnt werden, dass wir uns durch den kältesten Sommer Norwegens seit Beginn der Wetteraufzeichnung bewegen. Den Norwegern merkt man das nur selten an. Als Uli das Mädchen in Røldal auf dem Campingplatz auf deren Erkältung anspricht, erzählt sie, dass alle Norweger ihre Erkältungen im Sommer haben, weil sie ungeachtet der Temperaturen den Sommer ausrufen und zu dünn angezogen rum rennen. Uns friert es da schneller, wir bleiben dick eingepackt, wir wollen an diesem Tag nicht mehr fahren, den „Stand-Tag“ haben wir uns verdient. Am frühen Nachmittag stellen wir den Bulli ab, machen die Schotten dicht und es uns mit Tee und Keksen in unserem kleinen Heim gemütlich – inklusive Blick auf schneebedeckte Berggipfel. Wir battlen uns im Backgammon, frischen den Blog etwas auf und lesen in unseren Büchern. Die Nacht wird mit 1°C Außentemperatur empfindlich kalt, aber auch das lässt sich im Bus erstaunlich gut aushalten. Zum Glück sind wir zu zweit (dritt) unterwegs.
Am nächsten Morgen verlassen wir als Letzte den Platz in Røldal und zwingen den Bulli nochmals über die Berge rüber zum Sørfjord, einem Seitenarm des Hardangerfjord. Die Straße schlängelt sich entlang des Ufers, eine entspannte Etappe. Am Nachmittag schlagen wir nach kurzem Mittagspicknik in Kinsarvik auf, Ausgangspunkt für unsere Wandertour am darauffolgenden Tag.
Am Abend treffe ich in der Spülküche Alex, Felix, Jan und Marvin, vier Jungs aus Aachen, gerade fertig mit dem Abi. Die drei zelten unweit von uns und haben für den nächsten Tag ebenfalls die Tour zu den Husedalen-Wasserfällen auf dem Programm. Nach einer weiteren kalten Nacht fragen wir die Jungs, ob wir sie mit hoch zum Parkplatz unterhalb des Kraftwerks mitnehmen sollen. Angebot angenommen, alle Sitzplätze belegt. Zu was hat man nen Bus. Zusammen nehmen wir bei schönstem Wetter den Aufstieg entlang der vier Wasserfälle in Angriff. Die Wassermassen sind beeindruckend, die Ruhe einfach toll, kein Vergleich zum proppevollen Preikestolen. Das Wasser ist kristallklar und schießt eiskalt vom Hardanger-Plateau herunter. Oben auf Ebene des dritten von vier Wasserfällen haben wir einen tollen Ausblick über die Berge und den Fjord, begleitet vom Rauschen des Wassers. Wir halten inne, genießen in Ruhe die Natur, die hier völlig unberührt und wild wirkt. Man hat das Gefühl, dass hier noch alles in Ordnung ist, wir kommen uns winzig klein vor. Völlig beseelt steigen wir wieder hinab, glücklich und zufrieden einen so schönen Ort entdeckt und gemeinsam einen wunderbaren Tag verbracht zu haben.
Wir fahren die Jungs wieder zum Campingplatz, für sie geht es später weiter Richtung Odda mit Plänen für die Trolltunga (mit dem Wissen, dass die halbe Strecke von 22km Länge noch schneebedeckt ist – wir hoffen, ihr habt es bis zur Trollzunge geschafft!). Wir verlassen den Kinsarvik Campingplatz, weil er uns zu eng und zu voll ist und möchten weiter nach Eidfjord. Richtig Lust auf Autofahren haben wir nach der Tour allerdings auch nicht mehr. Auf halber Strecke entdecken wir kurz vor der Hardangerbrücke links am Fjord einen Platz unterhalb einer Obstplantage. Hier biegen wir ab und schlagen unsere Zelte auf. Die nächsten Tage soll es schönes Wetter geben, direkt am Fjord können wir das so richtig schön genießen.
Campingplätze:
1. Seim Camping, Røldal (200 NOK inkl. Strom, Dusche 10 NOK)
2. Kinsarvik Camping, Kinsarvik (290 NOK inkl. Strom, Dusche 10 NOK)
3. Ringøy Camping, Kinsarvik (230 NOK inkl. Strom & Dusche)