Ab der norwegischen Grenze haben wir uns gedanklich vorab keine Ziele mehr gesetzt. Klar ist, dass wir Stockholm sehen wollen und danach nochmals eine Schleife an den schwedischen Seen machen, da es uns dort sehr gut gefallen hat. Der Weg dorthin war bis dato eine große Leere. Und so haben wir auch an diesem Morgen in Kiruna keine Pläne, nur ein Etappenziel namens Luleå an der schwedischen Küste. Davor lacht uns aber noch das am Ufer liegende Kanu an. Der See hat heute mehr Wellengang als gestern, mit Schwimmwesten ausgestattet geht es dann aber raus. Ein schönes Gefühl, vom Wasser aus die Natur zu beobachten. Ewig verharren wir aber nicht, die Tagesetappe auf dem Weg Richtung Süden ist über 350km lang.
Am späten Vormittag brechen wir auf. In Stø auf den Vesterålen hat uns die Campingplatz-Betreiberin noch vor der Strecke um Kiruna gewarnt, nach knapp fünf Minuten wissen wir warum. Die Asphaltstraße geht in eine Schotterpiste über, faustgroße Steine sind zu queren und die „Straße“ gleicht einem schweizer Käse voller Schlaglöcher. Die Tortur geht 14 Kilometer und wir fahren nicht schneller als 25 km/h, während ein paar Schweden und Norweger offensichtlich gedankenlos durch jedes Loch brettern und dabei ihre Autos malträtieren. Am Ende sind wir gut durchgeschüttelt und voller Hoffnung, dass uns dies ein weiteres Mal erspart bleibt (später werden wir eines Besseren belehrt).
Unsere Mienen werden durch die Elche am Straßenrand erhellt, die stellenweise einen Meter neben der Fahrbahn laufen. Majestätische Tiere und auch etwas beängstigend, wenn man nicht weiß, ob die doch ziemlich großen Elche nicht doch spontan mal die Straße kreuzen möchten. Und doch bleiben die Elche das einzig Spannende, was es hier oben gibt in Lappland. Wir sehen nur Bäume, Bäume, Bäume. Und alle 15 Minuten kommt eventuell mal ein Auto entgegen. Ansonsten geht es mit konstanter Geschwindigkeit immer nahezu wie an der Schnur gezogen geradeaus. Die „Wow“-, “ Boah“-, „schau mal“-Rufe bleiben im Vergleich zu Norwegen erst einmal aus. Nach ungefähr fünf Stunden laufen wir in Luleå im First Camp ein, wo wir dann auch noch einen riesigen Campingplatz mit ziemlich teuren Tarifen vorfinden. Nicht gerade unser Traum, aber wir sind zu kaputt um auch nur einen Kilometer weiter zwischen den Baumreihen zu fahren. Mit einem abendlichen Strandspaziergang beenden wir den Tag und fallen müde ins Bett.
Am nächsten Tag ist die Wettervorhersage sehr durchwachsen. Wir stellen uns auf Regen ein und brechen daher früher auf, um die nächste lange Etappe nach Umeå in Angriff zu nehmen. Sehr weit kommen wir aber nicht. Nach einer Stunde entdecken wir ein Schild zu einem Campingplatz inklusive Café und Restaurant an einem See. Wir beschließen, uns das mal anzuschauen. Über die nächste Holperpiste eiern wir durch ein Waldstück und landen auf einem völlig abgefahrenen Platz, irgendwie total wild, etwas shabby, dafür mit reichlich Charme. Was uns hierher geführt hat? Auf dem Schild wurde mit Rentier- und Elchfleisch vom Grill geworben. Wenn man schonmal so hoch im Norden ist, muss man die hiesigen Wildarten auch mal probieren, finden wir. Da wir mutig sind, nehmen wir das hier in Angriff. Auf drei großen Grillpfannen brät ein Koch draußen Lachs, Gemüße, Kartoffeln und eben eine Fleischmischung aus Rentier, Elch und Hirsch. Wir sind ziemlich erstaunt. Das schmeckt alles sehr lecker, das Fleisch ist super zart und toll gewürzt, dazu gibt es Preiselbeeren. Hmmmm, köstlich. Nach dem Essen entscheiden wir uns aber, noch weiterzufahren. Ein lohnenswerter Abstecher und auf jeden Fall zu empfehlen – definitiv mal etwas anderes. Am späten Nachmittag erreichen wir durch den Zwischenstopp unser Tagesziel nicht ganz, dafür finden wir einen gut gelegenen Platz mit ordentlicher Ausstattung und wenig Betrieb, bevor der angekündigte Starkregen einsetzt. Und zum ersten Mal seit wir Schweden vor sechs Wochen Richtung Norwegen verlassen haben, wird es abends wieder dunkel. Gute Nacht.
Sundsvall ist das nächste Reiseziel am folgenden Tag. Wieder eine Tagesetappe mit fast 300 Kilometern. Die Außentemperaturen sind inzwischen auf Sommer gedreht, es hat um die 20 Grad und ist perfekt für die Fahrt in unserem unklimatisierten Bulli. Auch auf dieser Strecke erwartet uns nicht viel außer Bäumen und immer mal wieder ein schön gelegener See. Wir kommen gut voran und landen irgendwann in Örnsköldsvik. Noch nie gehört? Wir auch nicht. Aber es ist nicht schwer zu erkennen, welcher namhafte Outdoor-Ausstatter hier seinen Firmensitz hat: Fjäll Räven. Direkt hinter der Stadt liegt auf unserer Strecke ein Fabrikverkauf. Das lassen wir uns nicht nehmen. Zweieinhalb Stunden später und mit ein paar Euro weniger in der Tasche verlassen wir gut gelaunt, aber etwas von der Menschenansammlung geschafft das Gelände und düsen weiter Richtung Süden. Auf dem Snibben Camping erhalten wir trotz voller Belegung einen Platz. Etwas abseits, eigentlich Park- bzw. Stellplatz für die nicht mehr betriebenen Hütten in diesem Bereich. Gut für uns, hier haben wir unsere Ruhe.
Am Morgen packen wir zeitig alles zusammen, um vollends nach Sundsvall zu fahren. Hier gibt es einen IKEA. Wir gönnen uns ein Mittagessen und tauschen die in Oslo gekaufte Tagesdecke um. Länderübergreifender Service, vorbildlich. Mit Köttbullar im Bauch fahren wir dann ins Landesinnere, um etwas abseits der Hauptrouten zu fahren. Unser Campingplatz in Stöde hat massig Platz, wir waschen mal wieder Wäsche und genießen die Sonne.
Am morgen wieder alles auf Null, das gleiche Spiel beginnt von vorne. Zielrichtung Süden. Am Mittag noch getankt, fahren wir die direkte Route ab dem Campingplatz Richtung Süden auf einer Nebenstraße. Als die Straße in eine Buckelpiste über geht, beschließen wir mit Chima erst einmal noch in den Wald zu rennen. Als wir zurück kommen, fehlt von Ulis Schlüssel jede Spur – vom Tankdeckel allerdings auch. Was wir eben schon einmal abgefahren sind, machen wir jetzt in umgekehrter Richtung. An der Tankstelle liegen Schlüssel und Deckel wie unberührt noch da. Gut, braucht nicht jeder einen T3-Tankdeckel. Wir wischen kurz die Schweißperlen ab und dann gehts auf die ordentliche Straße Richtung Sundsvall. Von dort fahren wir auf der E4 südwärts. Um 18 Uhr treffen wir auf einem Campingplatz ein und erleben auf unserem Trip ein Novum: wir werden aufgrund voller Belegung abgelehnt. So irren wir über Umwege wieder zurück auf die E4, um 19:30 Uhr findet dieser chaotische Tag dann mit den letzten Sonnenstrahlen sein Ende.
Wir schlafen sehr früh ein und stehen an diesem Tag auch spät erst wieder auf. Weit sind wir nicht mehr von Stockholm entfernt, die Tagesetappe ist mit knapp zwei Stunden nicht so lang. Dafür schüttet es aus Kübeln während Uli fährt. Wir entscheiden uns für einen holländisch geführten Campingplatz auf einer kleinen Insel namens Ön bei Hedesunda. Der Platz ist parkähnlich angelegt und in wirklich gutem Zustand. Bis auf die Wasserpfützen vom Dauerregen der Vortage, die dem Rasen an einigen Stellen stark zusetzen. Auf diesem wirklich schönen Platz verbringen wir den Nachmittag und bereiten uns auf Stockholm vor. Über 1500 Kilometer haben wir innerhalb weniger Tage zurückgelegt, seit wir unseren nördlichsten Punkt in Stø erreicht haben. Nur noch knapp zwei Stunden liegen jetzt vor uns, bis wir die vermeintlich schönste Stadt Skandinaviens erreichen. Geschafft.
Campingplätze:
1. First Camp Luleå, Luleå (290 SEK inkl. Strom, Dusche 10 SEK)
2. Lufta Camping, Ånäset (230 SEK inkl. Strom & Dusche)
3. Snibbens Camping, Ramvik (280 SEK inkl. Strom & Dusche)
4. Stöde Camping, Stöde (230 SEK inkl. Strom & Dusche)
5. Harmånger Camping, Harmånger (200 SEK inkl. Strom & Dusche)
6. Hedesunda Camping, Ön (250 SEK inkl. Strom, Dusche 5 SEK)