Wie jeden Tag, verstauen wir unseren Kram in den verschiedenen Boxen um den Platz in Kaupanger räumen zu können. Bisher haben wir fast alle unserer mitgebrachten Lebensmittel und Gegenstände genutzt. Die Packliste war also recht clever festgelegt. Nichts ist überflüssig. Gut, bis auf die Seifenblasen, die Philipp vor ein paar Tagen aus einer Box fischt und mich gleichermaßen fragend wie verständnislos anblickt. Die hatte ich noch über und dachte, es kommen vielleicht ganz fancy Fotos heraus, wenn man durch eine Seifenblase hindurch fotografiert. Ein bisschen unpraktisch und unfunktional muss es ja auch mal sein dürfen.
Nach einer Stunde Fahrt in kurvenreichem Gelände mit viel Auf und Ab, engen bis sehr engen Straßen und Schlaglöchern die jedes Mal ein lautes „PLONK“ verursachen, kommt uns das Café-Schild in Luster gerade wie gerufen. Wir schlemmen zur besten Kaffezeit Zimtschnecken und Puddingteilchen. Wir fahren weiter und kommen genau 100 Meter weit. Ein Campingplatz lockt mit schönen Wiesen und Seelage. Der Platz ist nett angelegt und wir sind ein bisschen stolz, schon so früh am Tag einzulaufen.
So haben wir noch einen vollen Nachmittag und Abend in der Sonne zum süßen Ausspannen zur Verfügung. Ausnahmsweise gibt es sogar WLAN auf dem gesamten Gelände. Nach dem Auspacken des Campingtisches, der Stühle und dem üblichen Umherbeugen der Boxen zücke ich das Handy und möchte sehen, was im www-Zuhause so passiert ist. Im Rucksack ertaste ich Geldbeutel, Kamera, Sonnenbrille, Handyhülle. Leere Handyhülle. LEER! In der Sekunde weiß ich sofort: Ich habe mein Handy in Kaupanger liegen lassen. Auf der Damentoilette auf dem kleinen Tisch unter dem Spiegel. Das Herz fällt mir in die Hose. Nach mehrmaligem Versuchen erreiche ich die Frau des Campingplatzbesitzers am Telefon. Sie wisse von nichts und habe ein kleines Baby zuhause, weshalb sie nicht nachsehen könne. Sie werde aber einen ihrer Arbeiter zum Platz schicken, der nachsehen kann, ob das Handy noch da ist. Da das Sanitärhäuschen des Platzes offen an einer Straße liegt und wir am Tag zuvor viele Tagesbesucher gesehen haben, die es nutzen, schwindet meine Hoffnung Richtung Null, dass ein Wertgegenstand mehrere Stunden dort liegen bleibt. Nach fünfzehn Minuten Zittern darf ich erneut anrufen und die Dame erklärt mir, das Handy sei noch dort gewesen. Puh! Schwein gehabt. Also die ganze Zeremonie des Verstauens wieder rückgängig gemacht und wir befinden uns erneut auf der Straße. Diesmal fahre ich selbst. Im Rückspiegel sehe ich einen ziemlich betröppelten Hundeblick. Auf dem Beifahrersitz auch. Die Fahrt, die wir heute schon von der anderen Straßenseite genießen durften, wird unnötiger Weise durch einen Unfall vor einer Campingplatzausfahrt gestoppt. Die Straße ist voll gesperrt. Nochmals vergehen 25 Minuten. Wenigsten das Wetter ist prächtig und die Landschaft hübsch. Hoch oben am Hang wohnt die Familie, die den Campingplatz betreibt. Die kleine Tochter sitzt gemeinsam mit Mama und Papa beim frühen Abendessen vor dem Haus. Sie erkennen von Weitem, dass ich die Irre bin, die nicht auf ihre Sachen aufpassen kann und holen mir mein Handy aus dem Haus. Die ganze Fahrt über habe ich überlegt, ob ich zum Dank ein wenig Geld oder doch den guten Dornfelder überreichen soll. Die Dame hatte am Telefon von ihren zwei Kindern erzählt und was könnte da als Dankeschön dienen? Die weitgereisten Seifenblasen.
Mutter Natur gibt an
Am nächsten Morgen sind wir voller Tatendrang, da die Wettervorhersage nur Gutes verspricht. In der Gegend gibt es einige Möglichkeiten für kleinere und größere Touren. Wir möchten ungefähr drei Stunden laufen und erhalten in der Touristeninformation im nächsten Ort einige Tipps samt Broschüren. Wir parken den Bulli und laufen los. Mittlerweile ist es 12 Uhr mittags. Die perfekte Zeit um in der vollen Mittagssonne einen Berg zu erklimmen. Es geht über Sommerwiesen den Berg hinauf. Von oben lockt ein prächtiger Ausblick auf den Fjord, der uns trotz steigender Hitze weitergehen lässt. Kleine Bäche kreuzen, die wegen der Schneeschmelze laut rauschend ins Tal finden. Wir finden ein schönes Plätzchen unter Nadelbäumen und sitzen für eine kurze Rast auf Felsen und im Moos mit Blick über den Fjord.
Als wir nach einem schnellen Abstieg wieder am Bus ankommen hat dieser sich mächtig aufgeheizt. Wir machen so schnell es geht die Biege. Unser nächster Halt ist Skjolden. Hier lacht uns ein Campingplatz an, der zwar direkt an der Straße liegt, der wir folgen, der aber einen astreinen Blick auf den großen Wasserfall im Hintergrund bietet. Durch die stürzenden Wassermassen ist vom Verkehr rein gar nichts zu hören. Wir suchen uns dennoch einen Standplatz am hinteren Ende aus. Unter Bäumen, zwei Meter vom schlauchförmigen Miniatur-See entfernt schlagen wir unser Lager auf. Wie so oft in Norwegen ist das Wasser des Sees so unglaublich klar, dass man jeden Stein auf dem Grund noch deutlich sehen kann. Doch so klar das Wasser ist, so kalt ist es auch. Chima muss wiederholt das Versuchskaninchen spielen und lehnt dankend eine Schwimmrunde ab. Wir chillen in höchstem Maße und kochen ausgiebig an diesem schönen Platz umgeben von Mutter Natur. Heute ist einer dieser Tage, an denen wir noch lange draußen sitzen können ohne zu frieren. Nach der x-ten Partie Backgammon haben wir genug im Freien verbracht und fallen selig ins Nest.
Sun-Day is funday
Der Sonntag führt uns vom schönen Platz in Skjolden über das weniger schöne Lom nach Nordberg. Wir steigen in die kurzen Hosen – auch heute ist es wieder angenehm sommerlich – und machen uns auf Richtung Jotunheimen. Der Nationalpark wurde uns wärmstens von Philipps Bruder Hannes empfohlen, der uns mit einer passenden Wanderkarte ausgestattet hat. Über Serpentinen geht es in der Wanderkolonne mit anderen Campern hoch hinauf in den Schnee. An jeder Ecke sind Parkbuchten, von denen kleine Wanderwege starten. Wir toben zu dritt im Schnee und sehen den Skilangläufern beim Training zu. Im Winter ist dieser Teil des Landes sehr beliebt bei Schneesportlern, im Sommer kann gewandert werden. Nur ist der Sommer 2015 (wie bereits in vorherigen Berichten beklagt) ein meteorologischer Spätzünder. Der uralte sulzige Schnee macht das Wandern leider ungenießbar. Trotzdem wird der Jotunheimen einer unserer schönsten Streckenabschnitte auf der Reise. Bei kurzen Stopps an eisblauen, zugefrorenen Seen und an einem beeindruckend tobenden Sturzbach bekommen wir einen tollen Eindruck vom wilden Norwegen. Als wir hinter einer Kuppe um eine Kurve biegen steht eine Herde Schafe vor uns, die die Straße kreuzen, als gäbe es hier keinen Verkehr.
Vom Winter im Sommer gelangen wir zum Hochsommer, als sich das Landschaftsbild auf unserem Weg immer mehr in dürre Wiesen und Nadelwälder verwandelt. Wir lassen Hochburgen von Dauercampern, die im Pool köcheln, hinter uns und gelangen in Nordberg an einen See mit angrenzendem Campingplatz. Hier genießen wir den restlichen Tag in der Sonne in vollen Zügen. Nach einem eifrigen Trampolin-Wettbewerb hängen wir die Zehenspitzen in den See um uns abzukühlen. Es ist angenehm wenig los. Nur ein norwegisches Pärchen im Rentenalter hat mit großem Abstand seinen Caravan abgestellt. Wir plaudern eine Weile über unsere Reiseerlebnisse bis ein Mann laut brüllend durch die Anlage läuft. Es klingt nach Fußball-Fangesang. Er dreht sich immer wieder um und grölt weiter. Plötzlich wird Glockengebimmel hörbar und stetig lauter. Eine Herde Kühe marschiert in aller Seelenruhe über den Campingplatz. Autos und Camper werden Einer nach dem Anderen genau begutachtet, bis die Herde langsam ihren Heimweg fortsetzt, immer dem rufenden Viehhirten nach. Ein perfekter Sonntag geht zu Ende. Morgen wird unsere Reise über den beliebten Geirangerfjord führen. Kontrastprogramm im Quadrat.
Campingplätze:
1. Dalsoren Camping, Lustern (29 € inkl. Duschen)
2. Vassbakken Kro & Camping, Skjolden (25 €)
3. Skjak Saeter Camping, Nordberg (22 € inkl. Duschen)
Phil, oben ohne aufm Trampolin?
–> soooo sexy 😀
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Wahnsinn, gell! 🙂
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